Skip to content

Muskelverspannung beim Pferd: Der Rigorkomplex im lebenden Pferd

Teile diese Podcast-Episode auf:

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Podigee zu laden. Mit dem Laden des iFrames akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Podigee.

Inhalt laden

Inhaltsverzeichnis

Muskelverspannungen beim Pferd sind ein häu­fi­ges und vor al­lem weit­rei­chen­des Problem. Daher soll es im fol­gen­den Text um Muskelverspannungen und die Auswirkungen auf den Körper dei­nes Pferdes, Triggerpunkte in der Muskulatur und die Frage ge­hen, wie es über­haupt zu der Muskelverspannung im Pferd kom­men kann. Wir wer­den dazu die Pathophysiologie, also die Hintergründe, die im Körper ab­lau­fen, be­leuch­ten und auf den Rigorkomplex, die Totenstarre im le­ben­den Pferd, eingehen.

Muskelverspannung beim Pferd und das myofasziale Schmerzsyndrom

Zu Beginn sei ge­sagt, dass eine Verspannung mehr Auswirkungen auf den Körper hat als le­dig­lich mehr Spannung in ei­nem Muskel. Infolge von dau­er­haft ver­spann­ten Muskelpartien kann es zu dem so­ge­nann­ten myo­fas­zia­len Schmerzsyndrom kom­men. Das be­deu­tet, dass dein Pferd Schmerzen auf­grund von Problemen und Funktionsstörungen in Muskeln und Faszien hat. 

In der Humanmedizin ist das Syndrom be­reits gut erforscht:

Beim Menschen ist das myo­fas­zia­le Schmerzsyndrom weit ver­brei­tet und eine der Hauptursachen für Schmerzen und Funktionsstörungen.

Gautschi/Böhni: Das myo­fas­zia­le Schmerzsyndrom. Ätiologie und the­ra­peu­ti­scher Ansatz. In: Manuelle Medizin.3. 2014.

Pferde kön­nen je­doch nicht sa­gen, dass sie Schmerzen ha­ben und Schmerzdiagnostik beim Pferd ist auf­grund der Charakteristik ei­nes Fluchttieres schwie­rig. Daher wer­den Probleme im Bewegungsapparat oft erst zu spät be­merkt. Dann näm­lich, wenn schon lang­fris­ti­ge or­tho­pä­di­sche Schäden durch bio­me­cha­ni­sche Dysfunktionen her­vor­ge­ru­fen wor­den sind und das Pferd sei­nen Schmerz durch Lahmheit an­zeigt. Davor sind aber durch die bio­me­cha­ni­schen Dysfunktionen wahr­schein­lich schon Nackenschmerzen, Kiefergelenksbeschwerden oder un­spe­zi­fi­sche Rückenschmerzen beim Pferd auf­ge­tre­ten  — sprich das Getriebe des Bewegungsapparats läuft nicht ganz rund. 

Zusammengefasst kann also ge­sagt wer­den: Muskelverspannung bei Pferden mit ak­ti­ven Triggerpunkten — Knoten und/oder Hartspann, wel­che im fol­gen­den zu re­ak­ti­ven Bindegewebsveränderungen füh­ren, lö­sen Schmerz und eine Funktionsstörungen des Muskels aus. Dies wird dann myo­fas­zia­les Syndrom genannt.

Du willst mehr zum Thema Massagen und Mobilisation wis­sen, da­mit du dein Pferd bes­ser un­ter­stüt­zen kannst? 

Die Auslöser des myofaszialen Schmerzsyndrom

Die Auslöser für das Syndrom sind viel­fäl­tig und meist sum­mie­ren sie sich. Als Beispiele könn­ten hier ge­nannt wer­den: Trauma, Überdehnung, Überbelastung, Fehlbelastung, wie­der­keh­ren­de Bewegungen im un­ge­sun­den Maß, an­dau­ern­de Anspannung durch un­phy­sio­lo­gi­sche Körperhaltung im Training oder in der Haltung, Bewegungsmangel, Stress oder Witterung. Aber auch Schonhaltung durch Schmerzen in be­stimm­ten Körperregionen kann zur Überlastung von an­de­ren Regionen füh­ren — z.B. eine ak­ti­vier­te Arthrose, wel­che dann im Nachgang Rückenschmerzen durch ver­än­der­te Körperhaltung ver­ur­sacht. Die Liste ist lang.

An die­ser Stelle ein­mal ein klei­ner sta­tis­ti­scher Denkanstoß:  80 bis 90% der Schäden am Bewegungsapparat von Pferden ent­ste­hen durch wie­der­keh­ren­de Einflüsse von in­nen und au­ßen. Zu die­sen Faktoren zäh­len Reiter, Equipment, Haltung, Fütterung, ma­ni­pu­lier­te Kopf-Hals-Haltung, Körperbau so­wie mus­ku­lä­re An- und Verspannung. Lediglich 10 bis 20% sind auf Traumata (heißt Verletzung durch plötz­li­che und un­vor­her­ge­se­he­ne Ereignisse) zu­rück­zu­füh­ren.  Lahmheiten durch Arthrose, Sehnenschäden, Hufgelenksentzündungen, Hufrollen-Syndrom, etc. ent­ste­hen sta­tis­tisch ge­se­hen also häu­fi­ger durch wie­der­keh­ren­de Einflüsse von au­ßen und in­nen! Durch Muskelverspannungen füh­ren die ge­nann­ten Faktoren zu­nächst zu bio­me­cha­ni­schen klei­nen und un­schein­ba­ren Fehlfunktionen im Bewegungsapparat, Blockaden und re­ak­ti­ven Bindegewebsreaktionen.

Du möch­test mehr zu Unterstützungsmöglichkeiten dei­nes Pferdes bei Sehnenproblemen wissen?

Wie Muskelverspannung beim Pferd entstehen

Muskelarbeit ist die Erzeugung von me­cha­ni­scher Energie. Zur Erzeugung ver­wen­det der Körper un­ter­schied­li­che Energiequellen — Proteine, Kohlenhydrate und Fette. Sowie kör­per­ei­ge­ne Energiespeicher aus Fettgewebe, Muskel und Leber. Diese Energiequellen wer­den auf­ge­spal­ten, ge­hen in den Blutkreislauf und dann wird aus che­mi­scher Energie me­cha­ni­sche Energie pro­du­ziert. Für die­sen Schritt ver­wen­det der Körper ATP. Ganz ver­ein­facht dar­ge­stellt, läuft der Prozess so ab:  Das Pferd frisst, die Kohlenhydrate wer­den im Darm re­sor­biert, ge­lan­gen in das Blut und wer­den zu ATP um­ge­wan­delt. Dies wird dann ge­nutzt für die Muskelaktivität.

Aerobes und anaerobes Training

Jetzt soll sich dein Pferd be­we­gen. Folglich braucht der Muskel ATP als Energiequelle. Davon liegt, wie oben be­schrie­ben, eine klei­ne Menge ge­spei­chert im Körper vor und die rest­li­che Menge muss wäh­rend der Bewegung pro­du­ziert wer­den. Allerdings ver­läuft die Energiegewinnung un­ter­schied­lich, je nach Sauerstoffsituation im Muskel.

  • In den ers­ten we­ni­gen Sekunden nutzt der Muskel in­tra­mus­ku­lä­res ATP — anaerob
  • Nächste 10–30 Sekunden nutzt der Muskel Kreatinphosphat — an­ae­ro­ber Vorgang
  • Dann sind die Speicher leer und müs­sen auf­ge­füllt wer­den — ent­we­der ae­rob oder anaerob
  • Anaerob: Energiegewinnung aus Kohlenhydraten — Glukose aus dem Blut oder die Speicherform Glykogen. Dabei ent­steht Laktat (Milchsäure). Wird die­ser Stoffwechselweg ver­mehrt ge­nutzt, über­säu­ert der Muskel und es kommt zu Leistungsabfall. 
  • Aerob: Mit Sauerstoff um aus den Nährstoffen Fetten, Kohlenhydrate und ge­ring an­tei­lig Eiweiß ATP zu produzieren 

Je nach­dem wie, was und wie lan­ge du trai­nierst, über­wiegt ei­ner der bei­den Energiegewinnungen. Dies ist wich­tig für die Zielsetzung im Training, da so ent­schie­den wird, in wel­cher Trainingszone trai­niert wer­den soll. Durch Systematik im Training kann eine Überforderung der Muskeln mit ein­her­ge­hen­den Schmerz ver­mie­den wer­den und dein Pferd hat mehr Freude an eu­rem ge­mein­sa­men Workout. Möchtest du mehr zu dem Thema wis­sen? Dann kann ich dir mei­ne Podcastfolgen zum Training ans Herz le­gen. Oder be­su­che gleich mei­nen Kurs zur Gestaltung ei­nes Trainingsplan. Denn Trainingszonen und Herzfrequenz für das Training zu nut­zen, ist kei­ne Raketenwissenschaft und ist sehr re­le­vant für Jungpferde, Pferde nach Pause oder Krankheit und auch Freizeitpferde.

Der Rigorkomplex im lebenden Muskel

Der Körper dei­nes Pferdes braucht also ATP zur Muskelkontraktion. Dabei ent­steht die Kontraktion durch fa­den­för­mi­ge Proteine im Muskel. Durch den Querbrückenzyklus wird dann der Muskel be­wegt und auch die Ausgangssituation wie­der­her­ge­stellt. Wichtig ist hier­bei, dass ATP so­wohl zum Anspannen als auch im letz­ten Schritt zum Entspannen des Muskels be­nö­tigt wird. So er­klärt sich auch die Totenstarre. Nach dem Eintritt des Todes wird kein neu­es ATP mehr pro­du­ziert und so­mit fehlt der Weichmachereffekt durch das ATP im Muskel.

Warum gibt es nun Totenstarre im lebenden Pferd bei Verspannungen?

Das pas­siert na­tür­lich nur in stark lo­kal be­grenz­ten Bereichen im Muskel und be­trifft nicht ei­nen gan­zen Muskel wie bei der ech­ten Totenstarre. Diese lo­kal be­grenz­ten mus­ku­lä­ren Erscheinungen wer­den auch Triggerpunkte genannt. 

Gänzlich er­forscht sind die Triggerpunkte noch nicht. Bis dato wer­den sie über das Energiekrisenmodell er­klärt. Die Dauerkontraktion durch die Muskelverspannung führt zu ei­nem Kontraktionsknoten. Diese Knoten ver­en­gen die Gefäße und es kommt zu ei­ner Minderdurchblutung mit nach­fol­gen­den Sauerstoffmangel. Zusätzlich ist es so, dass bei ei­ner Dauerkontraktion des Muskels der Energiebedarf steigt. Es wird also mehr ATP be­nö­tigt bei gleich­zei­ti­ger Minderdurchblutung. Das ATP er­schöpft sich. Es kommt zu ei­ner Energiekrise im Muskel. Der Weichmachereffekt bleibt aus. Die Muskulatur bleibt in­ein­an­der verhakt.

Du willst dei­nem Pferd ein­fach mal was Gutes tun, ge­ra­de an nicht so tol­len Tagen oder nach ei­ner sehr lan­gen Durststrecke (Wetter, Krankheit, Verletzung, Alter)?

Auslöser für Muskelverspannung beim Pferd

  • Bewegungsmangel: Fehlende zur Bewegung sti­mu­lie­ren­de Nervenimpulse für den Muskel, der Muskel ist durch die schlech­te­re Durchblutung mit wich­ti­gen Nährstoffen und auch Sauerstoff un­ter­ver­sorgt. Die Folge: Verspannung der Muskulatur. 
  • Stress und Schmerz: Gehirn sagt Anspannung für Kampf oder Flucht — der Muskel spannt sich an. Bei an­hal­ten­dem Stress wer­den die Gefäße durch den Muskel und das ve­ge­ta­ti­ve Nervensystem (Sympathikus) ver­engt. Die Folge: Weniger Durchblutung, we­ni­ger Nährstoffe, we­ni­ger Sauerstoff — es kommt zur lo­ka­len Energiekrise im Muskel.
  • Einseitige Belastung — Der Körper ver­sucht durch Muskelspannung in be­stimm­ten Regionen zu kom­pen­sie­ren. Wird dies zum Dauerzustand, star­tet der Kreislauf der Energiekrise.
  • Das glei­che gilt auch für Überbelastung: Durch Training kannst du die Kapillar/Gefäßdichte im Muskel er­hö­hen. Ebenfalls wer­den auch mehr rote Blutkörperchen ge­bil­det. Beides sorgt für eine bes­se­re Sauerstoffversorgung im Muskel. Ist der Trainingszustand nun un­zu­rei­chend, dann ha­ben wir wie­der we­ni­ger Blut, Sauerstoff und Nährstoffe im Muskel und eine Energiekrise wird pro­vo­ziert. Hier sei an­ge­merkt, auch ein all­ge­mei­ner Nährstoffmangel durch eine un­zu­rei­chen­de aus­ge­wo­ge­ne Futterversorgung ver­schlim­mert die Situation.

Muskelverspannung beim Pferd und Schmerzen

Dass Triggerpunkte sehr schmerz­haft sein kön­nen, kennst du si­cher von dir selbst.

Dieser Schmerz kann so­wohl lo­kal be­grenzt sein oder aber auch aus­strah­len in an­de­re Körperregionen. Daneben und das ist nicht zu ver­nach­läs­si­gen ent­ste­hen re­ak­ti­ve Bindegewebsveränderungen im Umfeld des Muskels — Verklebungen, Fibrosen, Bindegewebszubildungen. Infolgedessen wird sich die Beweglichkeit wei­ter ein­schrän­ken und es kann zu bio­me­cha­ni­schen Dysfunktionen kom­men. Die an­gren­zen­de Muskelfasern wer­den über­dehnt und ver­län­gern sich kom­pen­sa­to­risch. Der Sauerstoffmangel setzt au­ßer­dem wei­te­re Entzündungsprozesse in Gang. 

Wir ha­ben also bei ei­ner Verspannung nicht nur ei­nen an­ge­spann­ten Muskel, son­dern es wird eine gan­ze Verkettung an phy­sio­lo­gi­schen Abläufen im Körper pro­vo­ziert, wenn eine Anspannung in eine Dauerkontraktion übergeht. 

Die schlech­te Nachricht für die meis­ten Auslöser sind wir ver­ant­wort­lich. Und gleich­zei­tig ist das auch eine gute Nachricht, denn so kön­nen wir für die Gesundheit un­se­rer Pferde et­was än­dern. Nicht auf alle Faktoren wie Aufzucht, Anreiten, Genetik ha­ben wir als spä­te­re Pferdebesitzer Einfluss, aber auf un­fass­bar vie­le schon. Lerne dein Pferd durch Massage und Mobilisation und sys­te­ma­ti­sches Training, zu schützen. 

Kennst du schon un­se­ren Onlinekurs Trainingsplanung für Freizeitpferde?
  • Überfordere ich mein Pferd?
  • An wel­chen Tage soll ich was und wie viel machen?
  • Wie kann ich ohne viel Equipment sinn­voll trainieren?
  • Mein Pferd hat­te krank­heits­be­dingt eine Pause, wie ge­stal­te ich das Aufbautraining?
  • … und noch vie­le mehr!

Kommentare sind für diesen Artikel geschlossen!

Dr. Veronika Klein

Ich bin u.a.

Newsletter abonnieren