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Mehr InformationenSattelgurte: Mehr als nur ein notwendiges Übel
Von Dr. Veronika Klein
In der zweiten Staffel meines Podcasts “Kernkompetenz Pferd” dreht sich alles um das Motto: “Es ist nicht wichtig, besser als jemand anderes zu sein, sondern besser als am Tag zuvor – und in diesem Fall für dein Pferd!”.
Nachdem die letzte Folge über Beinschützer mit Helle Kleven so viel positives Feedback gebracht hat, haben wir uns erneut getroffen. Dieses Mal sprechen wir über ein Thema, das oft unterschätzt wird: den Sattelgurt.
Materialkunde: Leder, Neopren, Lammfell und Co.
Welches Material eignet sich am besten für einen Sattelgurt? Helle und ich sind uns einig: Natürliche Materialien sind oft die beste Wahl!
Neopren, häufig für Taucheranzüge verwendet, speichert Wärme – unerwünscht unter dem Sattelgurt, da es zu Hautirritationen und Hitzestau führen kann. Ein weiterer Nachteil von Neopren-Gurten, besonders bei Kurzgurten, ist die oft unzureichend gepolsterte Schnalle. Diese kann punktuellen Druck auf den Pferderumpf ausüben und so die Muskulatur und Biomechanik des Pferdes negativ beeinflussen.
Leder hingegen ist ein sehr anpassungsfähiges Material, das sich mit der Zeit an den Pferdekörper anschmiegt. Dadurch wird der Druck gleichmäßiger verteilt.
Lammfell punktet mit seiner weichen Oberfläche und hervorragenden Druckverteilung. Allerdings sollte man beachten, dass Lammfell sehr dick sein kann. Liegt der Gurt sehr weit vorne Richtung Ellenbogen, kann dies bei der Rückführung des Vorderbeins zu Irritationen führen.
Kunstfell ist für mich keine bevorzugte Option, da es ähnlich wie Neopren Wärme speichert.
Helle fasst treffend zusammen: “Wenn du nicht die Möglichkeit hast, in einen hochwertigen Gurt zu investieren, dann lieber einen, der gut passt und günstig ist – und jetzt nichts Schlechtes, brüchiges Leder, dann kann man natürlich auch mal wieder auf den Neopren gehen, weil lieber dann einen gut angepassten, gepolsterten Neopren, als einen schlechten günstigen, schon gebrochenen, gebrauchten Ledergurt. Aber Kunstfelle … sage ich auch, das ist sowas, was ich persé auch Schweißaufnahme, Hitze, du hast es schon gesagt, wirklich nicht meine Präferenz ist am Pferd zu sehen. Ich denke, es gibt definitiv bessere Alternativen in allen Preissektoren.”
Druckverteilung: Hinter dem Ellenbogen ist höchste Vorsicht geboten!
Wo sollte der Gurt idealerweise am Pferd liegen? Die Antwort ist einfach: So weit wie möglich oben, direkt unter der Schabracke. Warum? Weil wir dadurch eine deutlich bessere Druckverteilung erreichen!
Die Gurtstrippen, die vom Sattel kommen, üben einen punktuellen Druck auf den runden Pferderumpf aus. Das führt dazu, dass Muskeln komprimiert werden und die Biomechanik des Pferdes beeinträchtigt wird.
Eine interessante Studie von Vanessa Fairfax aus dem Jahr 2011 hat gezeigt, dass der höchste Druck beim Sattelgurt nicht, wie oft angenommen, auf dem Brustbein, sondern hinter dem Ellenbogen liegt. Dieser Druck entsteht durch die Bewegung des Pferdes, genauer gesagt durch die Bodenreaktionskräfte.
Die Studie hat gezeigt, dass der höchste Druck während 75 Prozent der Standbeinphase auftritt – und je höher das Tempo, desto höher der Druck! Durch ein neues Gurtdesign, das den Brustbeinbereich entlastet und den Ellenbogen ausspart, konnte die Druckverteilung auf dem Rumpf um 98 Prozent reduziert werden.
Trageschwäche: Wenn der Rumpf “absinkt”
Pferde mit Trageschwäche oder ‑erschöpfung sacken oft mit dem Brustkorb ab. Dadurch wird der Raum zwischen Ellenbogen und Rumpf enger. In solchen Fällen ist es wichtig, die Tragekapazität des Pferdes zu überprüfen und gegebenenfalls die Rumpfträger- und Brustmuskulatur zu kräftigen.
Gurtformen: Von Mond bis asymmetrisch
Es gibt eine Vielzahl von Gurtformen: Mondgurt, anatomischer Gurt, asymmetrischer Gurt, Langgurt, Kurzgurt und Stollengurt.
Mondgurte eignen sich gut für rundrippige Pferde. Allerdings sollte man bei der Verwendung von Lammfell beachten, dass dieses viel Platz einnimmt. Der Gurt darf nicht so dick sein, dass das Pferd beim Laufen ständig mit dem Ellenbogen dagegen stößt.
Asymmetrische Gurte sind ideal für Pferde mit schmalem Rumpf, bei denen der Sattel zum Rutschen neigt.
Bevor man einen Gurt kauft, sollte man sich genau überlegen, welchen Pferdetyp und ‑bau man hat. Enger oder breiter Rumpf, dicker Bauch – all diese Faktoren spielen eine Rolle bei der Wahl des richtigen Gurtes.
Elastische Gurte: Nicht immer von Vorteil
Sollte der Gurt elastische Einsätze haben? Die bereits erwähnte Studie von Vanessa Fairfax hat gezeigt, dass elastische Gurte keinen Vorteil bringen – eher im Gegenteil!
Da Pferde, Reiter und Sättel sehr beweglich sind, ist ein stabiler Fixpunkt wichtig. Elastische Gurte bieten diese Stabilität nicht in ausreichendem Maße.
Eine Ausnahme bilden Pferde mit Atemproblemen oder Herzerkrankungen. Hier kann ein elastischer Gurt, wie zum Beispiel der Equisoft von Stüben, sinnvoll sein.
Lammfell: Pflege ist das A und O
Lammfellgurte sind wegen ihrer weichen Oberfläche und guten Druckverteilung sehr beliebt. Allerdings ist die Pflege extrem wichtig!
Helle betont: “Wenn ihr das Zuhause testen wollt und das Lammfell, ihr könnt mit dem Finger sofort auf den Untergrund quasi kommen, ohne zu wühlen, dann hat das Lammfell keine Druckverteilung mehr, die wir ja so gerne haben wollen. Also, das könnt ihr an den Schabracken, aber natürlich auch an den Gurten mal testen, dass ihr mit dem Finger versucht, durch das Lammfell durchzupopeln. Und je nachdem, wie schwer oder wie leicht das ist, umso viel Druck habt ihr natürlich auch. Von daher finde ich die Lammfellpflege schon erwähnenswert, dass jemand die wirklich im Kopf haben sollte, weil wenn das Lammfell verklebt und platt ist und Knötchen macht, dann ist es schlimmer, als wenn ihr quasi einen ganz anderen Sattelgurt habt.”
Eine englische Studie hat gezeigt, dass der stoßdämpfende Effekt von Lammfellkissen bis zu 1,5 Jahre anhält – aber nur, wenn sie gut gepflegt werden! Verklebte und verfilzte Lammfellgurte bieten keine optimale Druckverteilung mehr und können sogar punktuellen Druck auf den Pferdekörper ausüben.
Stollengurte: Eher etwas fürs Springen
Stollengurte werden oft für Jungpferde empfohlen, da sie die Druckverteilung auf dem Brustbein verbessern sollen. Allerdings ist der Druck hinter dem Ellenbogen bei Stollengurten punktuell erhöht, da dies die dünnste Stelle am Gurt ist.
Meine Empfehlung: Stollengurte sind ideal zum Springen, da sie den Bauchbereich schützen. Für den täglichen Gebrauch würde ich allerdings eher zu einem gut sitzenden Kurz- oder Langgurt raten.
Fazit: Der Sattelgurt verdient mehr Aufmerksamkeit!
Der Sattelgurt sollte – genau wie der Sattel – individuell an das Pferd angepasst werden. Material, Passform und Pflege spielen eine wichtige Rolle für das Wohlbefinden des Pferdes.
Helle und ich sind uns einig: “Man muss den Sattelgurt mit dem Sattel in Kombination sehen und nicht nur den Sattel. Meine Erfahrung ist, dass man sehr viel Geld in den Sattel steckt und wenig in den Sattelgurt, aber dann funktioniert das nicht. Aber das Beide ist so wichtig. Ich erlebe es so oft, dass es wirklich nicht am Sattel liegt, sondern am Sattel.”
In diesem Sinne: Schaut euch eure Sattelgurte genau an, achtet auf die richtige Passform und scheut euch nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen!
Es war sehr interessant. Doch wenn ich es richtig verstanden habe, ging es ja bei allen Gurtvarianten um Kurzzgurte.
Ich benutze einen Langgurt, und zwar einen Schnurengurt. Vielleicht könnte ja auch mal eine Folge zu Langgurten kommen. Was ist da genau so, was ist anders?
LG Ursula