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Kommt dein Pferd nach rechtlichen Angaben genug raus?

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Inhaltsverzeichnis

Die Bilder von Pferden auf Karnevalsumzügen oder Skandale im Reitsport ent­fa­chen im­mer wie­der die Diskussion um das Pferdewohl. Doch ab­seits der öf­fent­li­chen Debatten fra­gen sich vie­le Pferdehalter: Was kann ich kon­kret tun, wenn ich ei­nen Tierschutzverstoß be­ob­ach­te? Und was sind über­haupt die recht­li­chen Grundlagen für eine art­ge­rech­te Pferdehaltung?

In der ak­tu­el­len Podcast-Folge von Kernkompetenz Pferd spricht Dr. Veronika Klein mit der Fachtierärztin für Tierschutz, Mariana Peer. Gemeinsam be­leuch­ten sie die recht­li­chen Rahmenbedingungen und ge­ben dir prak­ti­sche Handlungsmöglichkeiten zur Pferdehaltung an die Hand, um die Pferdewelt je­den Tag ein Stückchen bes­ser zu machen.

Tierschutz bei Pferden: Was bedeutet das rechtlich?

Die Basis für den Tierschutz in Deutschland ist das Tierschutzgesetz. Der ent­schei­den­de Para­graph für Tierhalter ist § 2. Er be­sagt, dass je­der, der ein Tier hält oder be­treut, die­ses sei­ner Art und sei­nen Bedürfnissen ent­spre­chend er­näh­ren, pfle­gen und ver­hal­tens­ge­recht un­ter­brin­gen muss. Das be­deu­tet, du musst wis­sen, wie ein Pferd “tickt”, um ihm ge­recht zu wer­den – von sei­nem Sozialverhalten bis zu sei­nen Bewegungsbedürfnissen.

Eine di­rek­te Verordnung mit kon­kre­ten Zahlen, wie es sie etwa für Hunde gibt, exis­tiert für Pferde nicht. Stattdessen gibt es die “Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen un­ter Tierschutzgesichtspunkten”. Diese Leitlinien sind zwar kein di­rek­tes Gesetz, wer­den von Gerichten aber als eine Art vor­weg­ge­nom­me­nes Sachverständigengutachten be­han­delt. Sie kon­kre­ti­sie­ren, was § 2 für die Pferdehaltung be­deu­tet. Darin fin­dest du de­tail­lier­te Informationen zu al­len re­le­van­ten Themen:

  • Bewegung: Wie viel Auslauf ist nötig?
  • Sozialverhalten: Ist Einzelhaltung erlaubt?
  • Fütterung und Pflege: Was sind die Mindestanforderungen?
  • Haltungssysteme: Wie groß muss eine Box sein und was sind die Alternativen?

Diese Leitlinien sind ein ent­schei­den­des Werkzeug für Amtstierärzte, um die Haltungsbedingungen vor Ort zu bewerten.

Tierschutzverstoß erkennen: Die häufigsten Probleme

Im Alltag ei­nes Amtstierarztes wie­der­ho­len sich be­stimm­te Tierschutzfälle im­mer wie­der. Es ist wich­tig, die­se zu ken­nen, um sen­si­bel für mög­li­che Missstände zu sein.

Einzelhaltung und Bewegungsmangel – Ein No-Go für Lauftiere

Einzelhaltung_Pferd_Boxenhaltung

Pferde sind hoch­so­zia­le Herdentiere und Bewegungstiere. Eine rei­ne Boxenhaltung ohne täg­li­chen, mehr­stün­di­gen Freilauf ist tier­schutz­re­le­vant. Die Leitlinien spre­chen von “mehr­stün­di­ger Bewegung”, was Gerichte in der Vergangenheit un­ter­schied­lich in­ter­pre­tiert ha­ben – von zwei bis hin zu sechs Stunden. Ein neue­res Urteil gab ei­ner Amtstierärztin recht, die sechs Stunden frei­en Auslauf an­ord­ne­te. “Freilauf” be­deu­tet da­bei, dass das Pferd sich ohne Reiter oder Führenden frei be­we­gen und selbst ent­schei­den kann, was es tut. Spazierengehen oder Training zäh­len nicht dazu. 

Wichtig ist auch, dass die­ser Auslauf ganz­jäh­rig ge­währt wer­den muss, auch im Winter auf ei­nem be­fes­tig­ten, matsch­frei­en Untergrund.

Das “neue Normal”: Warum übergewichtige Pferde ein Tierschutzproblem sind

Während ab­ge­ma­ger­te Pferde schnell als Tierschutzfall ge­mel­det wer­den, hat sich in der Wahrnehmung vie­ler ein ge­fähr­li­ches “neu­es Normal” eta­bliert: stark über­ge­wich­ti­ge Pferde. Ein schlan­kes, sport­li­ches Pferd wird oft als “zu dünn” an­ge­se­hen, weil das Auge den Normalzustand nicht mehr erkennt.

Aus tier­me­di­zi­ni­scher und tier­schutz­recht­li­cher Sicht ist Adipositas je­doch ein er­heb­li­cher Schaden für das Pferd. Es führt zu schwer­wie­gen­den Folgeerkrankungen wie:

  • Equines Metabolisches Syndrom (EMS)
  • Hufrehe
  • Chronische Entzündungsprozesse im Körper

Eine be­wuss­te Überfütterung, die zu sol­chen Krankheiten führt, ist eine ne­ga­ti­ve Abweichung vom phy­sio­lo­gi­schen Normalzustand und da­mit ein Tierschutzverstoß. Ironischerweise wird ein Amtstierarzt je­doch fast nie we­gen ei­nes zu di­cken Pferdes ge­ru­fen – erst, wenn die Hufrehe be­reits da ist.

Vernachlässigung: Von Hufpflege bis zur tierärztlichen Versorgung

Weitere klas­si­sche Fälle von Vernachlässigung sind man­gel­haf­te Hufpflege, bei der die Hufe in ei­nem de­so­la­ten Zustand sind, oder das Unterlassen not­wen­di­ger tier­ärzt­li­cher Behandlungen. Wenn ein Tier of­fen­sicht­lich krank ist oder Schmerzen hat und kein Tierarzt ge­ru­fen wird, ist das ein kla­rer Verstoß ge­gen die Halterpflichten.

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Aktiv werden: So meldest du einen Tierschutzfall richtig

Wenn du den Verdacht hast, dass ein Pferd nicht art­ge­recht ge­hal­ten wird, kannst du und soll­test du ak­tiv wer­den. Die zu­stän­di­ge Behörde ist im­mer das lo­ka­le Veterinäramt.

Anonyme Meldung: Vor- und Nachteile

Viele scheu­en sich da­vor, ei­nen Fall zu mel­den, aus Angst vor Konflikten im Stall. Grundsätzlich kannst du eine Meldung an­onym ma­chen. Die Amtstierärztin wird nie­mals of­fen­le­gen, von wem die Anzeige kam. Allerdings hat eine an­ony­me Meldung Nachteile: Wenn die Beschreibung des Ortes un­ge­nau ist oder die Pferde zwi­schen­zeit­lich um­ge­stellt wur­den, kann die Behörde ohne Rückfragemöglichkeit den Fall oft nicht wei­ter­ver­fol­gen. Es ist da­her im­mer bes­ser, sei­ne Kontaktdaten zu hin­ter­las­sen. Diese wer­den ver­trau­lich be­han­delt. Nur in ei­nem spä­te­ren Gerichtsverfahren könn­te die Gegenseite Akteneinsicht be­an­tra­gen und so den Namen des Meldenden erfahren.

Die Rolle von Tierärzten und die Schweigepflicht

Was ist, wenn ein Tierarzt ei­nen Tierschutzverstoß bei ei­nem Kunden fest­stellt? Gilt hier die Schweigepflicht? Die Antwort ist klar: Nein. Der Tierschutz ist ein öf­fent­li­ches Interesse und steht über der Schweigepflicht, die ur­sprüng­lich dem Schutz von Persönlichkeitsrechten des Halters dien­te. Ein Tierarzt ist nicht nur be­rech­tigt, son­dern aus be­rufs­ethi­scher Sicht so­gar ver­pflich­tet, er­heb­li­che Tierschutzverstöße zu melden.

Wichtige Streitpunkte in der Pferdehaltung

Die Tetanus-Impfung: Aus Tierschutzsicht ein Muss

Eine oft dis­ku­tier­te Frage ist die Impfpflicht. Während es kei­ne all­ge­mei­ne ge­setz­li­che Pflicht gibt, steht in den Leitlinien ein ent­schei­den­der Satz: “Wegen der be­son­de­ren Empfänglichkeit des Pferdes für Wundstarkkrampf ist die Impfung ge­gen Tetanus aus Tierschutzsicht ge­bo­ten.” Tetanus ist eine grau­sa­me und oft töd­li­che Krankheit. Da die Leitlinien als ver­bind­lich an­ge­se­hen wer­den, kön­nen Amtstierärzte eine Tetanus-Impfung an­ord­nen. Dies ist oft auch ein Weg, um si­cher­zu­stel­len, dass ein an­sons­ten ver­nach­läs­sig­tes Pferd über­haupt ein­mal von ei­nem Tierarzt un­ter­sucht wird.

Tierschutz im Pferdesport: Ein Blick auf den Turnierplatz

Auch im Pferdesport gibt es viel Handlungsbedarf. Dazu gehören:

  • Ausrüstung und Reitweisen: Tierschutzwidrige Ausrüstung und Methoden müs­sen kon­se­quen­ter ge­ahn­det wer­den – nicht nur von Behörden, son­dern auch von der Pferdewelt selbst, di­rekt auf dem Abreiteplatz.
  • Haltung von Sportpferden: Auch ein hoch­prei­si­ges Sportpferd hat ein Recht auf Sozialkontakt und frei­en Auslauf. Tierschutzpreise soll­ten da­her nicht nur die Leistung auf dem Turnier, son­dern auch die Haltung im Heimatstall berücksichtigen.
  • Turniertierärzte: Die stän­di­ge Anwesenheit ei­nes un­ab­hän­gi­gen Turniertierarztes, der auch die Befugnis hat, bei Missständen ein­zu­grei­fen, wäre aus Tierschutzsicht es­sen­zi­ell. Aktuell schei­tert dies oft an per­so­nel­len und fi­nan­zi­el­len Ressourcen. Eine viel­ver­spre­chen­de Alternative wäre der Einsatz von ge­schul­ten Laien, die an­hand des wis­sen­schaft­lich va­li­dier­ten “Ridden Horse Pain Ethogram” von Dr. Sue Dyson Schmerzanzeichen beim Pferd er­ken­nen und so eine ob­jek­ti­ve Bewertung er­mög­li­chen könnten.

Dein Beitrag für eine bessere Pferdewelt

Jeder Einzelne kann ei­nen Unterschied ma­chen. Das Wichtigste ist, sich selbst um­fas­send über die na­tür­li­chen Bedürfnisse von Pferden zu in­for­mie­ren und die­se im ei­ge­nen Handeln an ers­te Stelle zu set­zen bei der Pferdehaltung. Lebe eine pfer­de­ge­rech­te Haltung vor, sei ein Vorbild und trau dich, Missstände an­zu­spre­chen oder zu melden.

Wenn wir als Gesellschaft ein neu­es, pfer­de­ge­rech­tes Normal de­fi­nie­ren, in dem Offenstallhaltung und täg­li­cher Auslauf die Regel und nicht die Ausnahme sind, ver­än­dern wir die Pferdewelt von in­nen heraus.

Du möch­test du Schmerz bei Pferd bes­ser er­ken­nen und mehr über Pferdegesundheit wis­sen? Dann schau dir die Kernkompetenz-Pferd Welt an. Ein gan­zes Monatsthema fin­dest du hier über Schmerz, im November 2025 wird das Thema Pferde-Verhalten mit Gastexpertin Dr. Vivian Gabor be­ar­bei­tet und di fin­dest vie­le wei­te­re Themen.

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Zudem be­las­ten dich un­er­war­te­te Tierarztkosten und an­de­re fi­nan­zi­el­le Verpflichtungen und gro­ße Kurse ab 400€ und Ausbildungen von 1.000€ und mehr sind da­her für dich nicht mach­bar

Daher denkst du oft “Ich hät­te sehr ger­ne teil­ge­nom­men.”, “Derzeit passt es lei­der nicht — ich hof­fe ich kann beim nächs­ten Mal da­bei sein.” und hast ein schlech­tes Gewissen, Frust oder Traurigkeit ma­chen sich breit. 

In dei­nem Stall fehlt dir aber der fach­li­che Austausch und bei Einführung von neu­en Dingen wirst du schief an­ge­schaut, die Augen wer­den ge­dreht und lä­chelnd mit dem Kopf ge­schüt­telt.

Diese Situation wur­de mir jah­re­lang be­rich­tet und im­mer wie­der hat­te ich schlaf­lo­se Nächte, wie wir das al­les un­ter ei­nen Hut be­kom­men können.

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FAQ — Häufig gestellte Fragen

Was ma­che ich, wenn ich ei­nen Tierschutzverstoß bei ei­nem Pferd sehe?

Der kor­rek­te Weg ist, den Fall beim zu­stän­di­gen Veterinäramt zu mel­den. Gib da­bei so ge­naue Informationen wie mög­lich zum Ort, den be­trof­fe­nen Tieren und dem Sachverhalt an. Es ist hilf­reich, wenn du dei­ne Kontaktdaten für even­tu­el­le Rückfragen hinterlässt.

Ist die Einzelhaltung von Pferden in Deutschland ver­bo­ten?

Ein ge­ne­rel­les Verbot gibt es nicht, aber die dau­er­haf­te Haltung ohne jeg­li­chen Sozialkontakt (Sicht‑, Hör- und Riechkontakt) zu Artgenossen ver­stößt ge­gen das Tierschutzgesetz. Pferde sind Herdentiere und be­nö­ti­gen so­zia­le Interaktion für ihr Wohlbefinden.

Wie viel Auslauf braucht ein Pferd laut Gesetz?

Das Gesetz nennt kei­ne ex­ak­te Stundenzahl. Die “Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen” for­dern je­doch “mehr­stün­di­gen” frei­en Auslauf pro Tag. Gerichtsurteile ha­ben in der Vergangenheit bis zu sechs Stunden täg­li­chen Freilauf als not­wen­dig er­ach­tet, um dem Bewegungsbedürfnis ei­nes Pferdes ge­recht zu werden.

Ist es tier­schutz­re­le­vant, wenn ein Pferd stark über­ge­wich­tig ist?

Ja. Eine Fütterung, die zu Adipositas und da­mit ver­bun­de­nen Krankheiten wie EMS oder Hufrehe führt, gilt als Zufügen von Schmerzen, Leiden oder Schäden und ist so­mit ein Verstoß ge­gen das Tierschutzgesetz.

Muss ich mein Pferd ge­gen Tetanus imp­fen las­sen?

Obwohl es kein for­ma­les Gesetz zur Impfpflicht gibt, wird die Tetanus-Impfung in den Tierschutzleitlinien als “ge­bo­ten” be­zeich­net. Aufgrund der ho­hen Empfänglichkeit von Pferden und der schwe­ren Krankheitsverläufe gilt das Unterlassen der Impfung als tier­schutz­re­le­vant und kann von ei­nem Amtstierarzt an­ge­ord­net werden.

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Dr. Veronika Klein

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