Skip to content

Tierarzt sein – Berufung, Realität und Game-Changer

Teile diese Podcast-Episode auf:
Inhaltsverzeichnis

be­en­here

Das wichtigste in Kürze

» Falsche Annahmen:
Tierärzte wis­sen nicht im­mer al­les.
Auch sie kön­nen nicht im­mer eine Diagnose stel­len.
Zudem ist Teilzeit-Arbeit kein Zeichen für man­geln­des Engagement.
» Wahre Game-Changer:
Neben tech­ni­schen Errungenschaften wie di­gi­ta­lem Röntgen und Praxismanagement-Software sind die größ­ten Veränderungen oft per­sön­li­cher Natur: eine ge­leb­te Fehlerkultur, die Erlaubnis, Pausen zu ma­chen, und die Erkenntnis, sich auch um die ei­ge­ne Gesundheit zu küm­mern.
» Berufung:
Auch wenn die Arbeit mit Pferden ein Kindheitstraum war, be­deu­tet das nicht, dass es kei­ne an­de­ren Interessen oder gar eine an­de­re Berufung ge­ben darf. Die Arbeit mit Pferden ist eine Herzensangelegenheit, aber die ei­ge­ne Gesundheit soll­te da­bei nicht zu kurz kommen.

Manchmal sind die bes­ten Gespräche die, die un­ge­fil­tert statt­fin­den – vor al­lem, wenn es um das Tierarzt-Dasein geht. In der neu­es­ten Folge von “Tierarzt un­ge­fil­tert” spre­chen Veronika und Lena of­fen und ehr­lich über ihre Gedankenwelt. Von hu­mor­vol­len Anekdoten über Haustiere bis hin zu den größ­ten Game-Changern im Berufsleben: Sie be­leuch­ten nicht nur die fach­li­che Seite, son­dern auch die mensch­li­chen Herausforderungen, die mit die­ser Berufung ein­her­ge­hen. Dies zeigt, dass das Leben ei­nes Tierarztes viel mehr ist als nur die Arbeit mit Pferden.

Katze vs. Goldesel: Welches Haustier würde der Tierarzt wählen?

Was wäre, wenn man sich heu­te ein neu­es Haustier an­schaf­fen müss­te? Eine Frage, die mehr über das Tierarzt-Leben ver­rät, als man denkt. Lena, als Katzenliebhaberin, wür­de sich so­fort wie­der für eine Katze ent­schei­den. Sie schätzt de­ren Selbstständigkeit, das be­ru­hi­gen­de Schnurren und die re­la­tiv un­kom­pli­zier­te Pflege, die auch mal eine kur­ze Abwesenheit der Besitzer ver­zeiht. Veronika hin­ge­gen wür­de, halb im Spaß, ei­nen Goldesel wäh­len – ein Tier, das nicht nur lie­bens­wert, son­dern auch fi­nan­zi­ell un­kom­pli­ziert ist.

Der Gedanke hin­ter die­ser hu­mor­vol­len Wahl ist je­doch ernst: Jedes Tier er­for­dert Zeit, Energie und fi­nan­zi­el­le Verantwortung. Fische, wie sie Veronika in ih­rer WG-Zeit mit­er­lebt hat, bie­ten zwar we­nig Aufwand, ge­ben aber auch we­nig per­sön­li­che Beziehung zu­rück. Eine in­ten­si­ve Bindung, die den Alltag be­rei­chert, ist et­was, das vie­le Tierbesitzer schät­zen. Das führt zu der Frage, wie man die art­ge­rech­te Haltung in Einklang mit dem ei­ge­nen Lebensstil bringt.

Social Media: Was nervt uns am meisten?

Social Media ist Fluch und Segen zu­gleich. Es bie­tet eine Plattform für Austausch, doch es gibt auch Inhalte, die ein­fach nur frus­trie­ren. Die größ­te Nervensäge: “Kennst du das auch?”-Videos. Diese werb­li­che Masche emp­fin­den vie­le als ma­ni­pu­la­tiv und auf­dring­lich. Auch über­zo­ge­ne Werbeanzeigen, ins­be­son­de­re von Futtermittelherstellern, die auf die Ängste der Pferdebesitzer ab­zie­len, sto­ßen auf Kritik.

Am schlimms­ten je­doch sind Shitstorms und die öf­fent­li­che Zurschaustellung von Missständen. Während das Bewusstsein für Tierschutz ab­so­lut wich­tig ist, trägt die Art und Weise der Darstellung oft nicht zur Lösung bei. Stattdessen wer­den Gräben ver­tieft und die Online-Diskussionen wer­den von Negativität be­herrscht. Dies zeigt, wie ent­schei­dend die ei­ge­ne Medienkompetenz ist, um die Inhalte kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Schließlich ent­schei­det der Algorithmus dar­über, was wir se­hen und formt so­mit un­se­re Wahrnehmung der Realität.

Falsche Annahmen über Tierärzte: Vom Halbgott in Weiß zum Teilzeit-Elan

Viele glau­ben, ein Tierarzt wis­se im­mer al­les und kön­ne so­fort eine ge­naue Diagnose stel­len. Die Realität sieht oft an­ders aus. Gerade in der Praxis zeigt sich, dass selbst mit mo­der­ner Technik nicht im­mer der ex­ak­te Erreger oder die ge­naue Ursache ei­ner Lahmheit ge­fun­den wer­den kann. Dies ist frus­trie­rend, so­wohl für den Tierarzt als auch für den Pferdebesitzer, der ver­ständ­li­cher­wei­se eine kla­re Antwort erwartet.

Eine wei­te­re fal­sche Annahme, die vor al­lem Tierärztinnen mit Familie be­trifft: Teilzeitarbeit be­deu­tet, eine schlech­te­re Leistung zu er­brin­gen. Im Gegenteil, die Flexibilität er­mög­licht es, sich in­ten­si­ver in ein­zel­ne Fälle zu ver­tie­fen. Das Klischee, dass eine gute Familie und ein gu­tes Berufsleben sich aus­schlie­ßen, ist ver­al­tet. Es ist wich­tig, auch mit den ei­ge­nen Misserfolgen und Schwächen of­fen um­zu­ge­hen und ein un­ter­stüt­zen­des Team zu ha­ben, das dies ermöglicht.

Nicht nur Pferd, sondern Mensch: Über Geld, Epigenetik und neue Berufungen

Viele Jahre dach­te Veronika, ihr Leben dre­he sich aus­schließ­lich um Pferde. Doch in den letz­ten zehn Jahren hat sich ihre Perspektive stark ge­wan­delt. Neben der Pferdegesundheit be­schäf­tigt sie sich in­ten­siv mit der Epigenetik und Menschengesundheit. Sie ist der Ansicht, dass bei­de Welten eng mit­ein­an­der ver­bun­den sind, da die Gesundheit des Pferdebesitzers maß­geb­lich die des Pferdes beeinflusst.

Ein wei­te­res sen­si­bles Thema ist Geld. In der Pferdewelt herrscht oft die Annahme, Tierärzte wür­den nur aus Profitgründen ar­bei­ten, wäh­rend die­se selbst oft das Gefühl ha­ben, ihre Leidenschaft wür­de nicht aus­rei­chend ho­no­riert. Veronika ver­tritt ei­nen aus­ge­wo­ge­nen Ansatz: Leidenschaft und der Wunsch, ei­nen po­si­ti­ven Mehrwert zu schaf­fen, dür­fen Hand in Hand ge­hen mit dem Ziel, ein über­durch­schnitt­lich gu­tes Leben füh­ren zu kön­nen. Dieser of­fe­ne Umgang mit dem Thema Finanzen ist in der Branche noch sel­ten, aber es­sen­zi­ell für nach­hal­ti­gen Erfolg.

Game-Changer im Berufsleben: Von digitalen Röntgenbildern und der eigenen Work-Life-Balance

Technologische Fortschritte ha­ben den Berufsalltag von Tierärzten re­vo­lu­tio­niert. Das di­gi­ta­le, ka­bel­lo­se Röntgen hat die Diagnosefindung enorm be­schleu­nigt und ver­ein­facht. Auch Praxismanagement-Programme, die Terminvergabe und Medikamentenverwaltung di­gi­ta­li­sie­ren, spa­ren wert­vol­le Zeit. Dennoch bleibt die mensch­li­che Note es­sen­zi­ell: Auch wenn die Technik vie­les er­leich­tert, ist es nach wie vor wich­tig, Notizen zu ma­chen, um sich an Details zu erinnern.

Abseits der Technik liegt der wah­re Game-Changer in der per­sön­li­chen Entwicklung. Der Wechsel von der Klinik in die Fahrpraxis und die Erkenntnis, Pausen als fes­te Bestandteile des Alltags zu eta­blie­ren, wa­ren ent­schei­dend. Die größ­te Veränderung aber war die Loslösung von dem Helfer-Syndrom. Die Erkenntnis, dass man nicht der Retter sein muss, der rund um die Uhr er­reich­bar ist, son­dern sich auch um die ei­ge­ne Gesundheit küm­mern darf, schafft Raum für neue Ideen.

Ausblick: Was macht eine Berufung aus?

Darf man sich aus ei­ner Berufung be­frei­en? Diese Frage klingt pa­ra­dox, ist aber für vie­le, die in ei­nem lei­den­schaft­li­chen Beruf ar­bei­ten, hoch­re­le­vant. Eine Berufung soll­te ei­nen nicht auf­fres­sen. Es muss Raum zum Atmen, für Familie und an­de­re Interessen blei­ben. Wer sich das zu­ge­steht, kann sei­ne Arbeit lang­fris­tig mit Freude und Elan aus­üben. Nur wer sich um sei­ne ei­ge­ne Gesundheit küm­mert, kann nach­hal­tig für an­de­re da sein. Der Weg von der rei­nen Pferdeliebe zu ei­nem ganz­heit­li­chen Lebenskonzept ist eine per­sön­li­che Reise, die vie­le Tierärzte und Pferdebesitzer teilen.

guest
1 Kommentar
Neusten
Ältesten Meist bewerteten
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Ulrike Zöller
Ulrike Zöller
1 Monat zuvor

Liebe Veronika, Sie ha­ben es auf den Punkt ge­bracht. Selbstfürsorge ist ein exis­ten­ti­el­les Thema. Für pro­fes­sio­nel­le Helfer, ge­nau­so wie für Pferdebesitzer. Nur wenn ich selbst ok bin, kann ich mit Liebe, Fürsorge, Kreativität nach Lösungen su­chen und kom­pe­tent — in­ner­lich im Lot an der Umsetzung mit­wir­ken. Im “Überlebenskampf Modus” kann im Extremfall nur noch Flucht, Kampf, oder Totstellreflex herauskommen. 

Menschen, die mei­nen Rat su­chen, kom­men lei­der oft erst, wenn sie be­reits schwer er­krankt sind und ha­ben mit er­schre­cken­der Regelmäßigkeit ver­lernt, auf ihre Grundbedürfnisse zu ach­ten und die­se zu re­spek­tie­ren. Sie kom­men durs­tig, ab­ge­hetzt zum Termin und ver­knei­fen sich seit Stunden die Notdurft. Auf die Frage, nach dem “Warum” kommt re­gel­mä­ßig die Antwort; “Ich woll­te nicht zu spät kommen”. 

Es braucht we­nig Fantasie was in sol­chen Fällen die ers­ten “the­ra­peu­ti­schen” Schritte sind, näm­lich zur Toilette ge­hen las­sen, Wasser und oder Kaffee an­bie­ten, kurz auf dem Balkon Luft schnap­pen, manch­mal in Verbindung mit Atemübungen und in Ruhe an­kom­men lassen. 

Menschen (und Pferde) ler­nen ger­ne am Modell.
Statt eineTherapeutin an­zu­tref­fen, die ge­nervt auf die Uhr schaut, lau­tet die Hausaufgabe, beim nächs­ten Mal doch bit­te ganz ent­spannt zu spät zu kom­men. Dabei wird der Hinweis ge­ge­ben; “Sie müs­sen nicht het­zen, wenn Sie spät dran sind. Zwischen den Terminen lie­gen stets 20 Minuten für mich, zum ent­span­nen, Grundbedürfnissen nach­ge­hen, über et­was in Ruhe nach­den­ken oder um ein Telefonat zu führen”. 

Es ist ein Gefühl des Loslassens von jeg­li­chem Negativstress, Finden in­ner­li­cher Ruhe und Frieden wel­ches wei­ter­ge­ge­ben wird. Pferde, die ich aus­ge­bil­det habe, wa­ren al­le­samt tie­fen­ent­spannt unterwegs. 

Ich bin kei­ne Tierärztin, son­dern Humanmedizinerin, aber vie­le Ansätze tra­gen die glei­che Überschrift. Auch die hohe Relevanz der Einbeziehung von Angehörigen und dem ak­ti­ven Mitwirken der­sel­ben, un­ter­schei­det sich kaum, sei es im Umgang mit Pferden oder Menschen.
Vertraut der Besitzer dem Tierarzt, lässt sich das Pferd viel eher auf die Behandlung ein. Unsichtbare Missverständnisse oder gar Spannungen zwi­schen “Angehörigem” und Arzt ver­un­si­chert den Patienten, bis hin zur Totalverweigerung. 

Vertrauen ent­steht oft we­ni­ger durch das hek­ti­sche her­un­ter­be­ten von den neu­es­ten Studienergebnissen, son­dern mit der Gewissheit, dass Fehler pas­sie­ren und Komplikationen auf­tre­ten kön­nen, aber dass die Ärztin ge­nau­so ver­fährt und eben­so acht­sam ist, als han­de­le es sich bei dem Patienten um die ei­ge­ne Mutter/Vater/Kind/Bruder/Schwester (oder das ei­ge­ne Pferd). Die Bedürfnisse der Angehörigen sind oft un­ter­schied­lich. Manche möch­ten den Arzt rein “mensch­lich” er­le­ben, um Vertrauen fas­sen zu kön­nen, an­de­ren Leuten geht es um eine sach­li­che Nutzen-Risiko Abwägung, wie­der Andere er­war­ten eine “Übermutter”.

Aber wie die Erwartungen auch sein mö­gen, eine Ärztin, die kurz vor dem Kollaps steht und Selbstfürsorge mit Füßen tritt, mit all den ne­ga­ti­ven Auswirkungen, dürf­te für die we­nigs­ten Individuen ein po­si­ti­ves Modell dar­stel­len, an dem sich Andere ger­ne ori­en­tie­ren. Bei Menschen mag das in Folge von ra­tio­na­len Erwägungen viel­leicht noch mög­lich sein, bei Patient “Pferd” ist Vertrauen un­ter die­sen Voraussetzungen aus­ge­schlos­sen. Einige Pferde zei­gen das nicht und sind de­pres­siv oder ha­ben in­ner­lich ka­pi­tu­liert und wir­ken da­her ex­trem brav. Auch re­si­gnier­te Menschen kön­nen sehr “brav” wir­ken, sa­gen zu al­lem “Ja und Amen”, trotz­dem steckt man fest in ei­ner Sackgasse und die zün­den­de Idee will ein­fach nicht kom­men. Alles wird “über sich er­ge­hen” ge­las­sen. Aber mit ech­ter Mitarbeit hat das we­nig zu tun. Auch ei­nem Pferd, wel­ches sich auf­ge­ge­ben hat, kann man schwer­lich helfen.. .

Das an­de­re Extrem lau­tet: “Durch Psychotherapie zum gren­zen­lo­sen Egoismus”. Dies be­zieht sich auf Menschen, die mög­li­cher­wei­se in frü­he­ren Zeiten sehr auf das Wohl Anderer be­dacht wa­ren, sich das Weltbild je­doch völ­lig ins Gegenteil ver­kehrt hat und schließ­lich eine rück­sicht­se Ich-Bezogenheit hat ent­ste­hen las­sen, dem sich al­les und je­der un­ter­zu­ord­nen hat. Diese Auswüchse dürf­ten im Berufsbild des Tierarztes eine Minderheit dar­stel­len, da der Umgang mit Tieren dem be­reits ent­ge­gen­wirkt. Unsere Pferde kön­nen in der heu­ti­gen Zeit nicht mehr auf ei­ge­nen Füßen ste­hen. Sie sind auf uns Menschen, un­se­re Liebe und Fürsorge an­ge­wie­sen. Auf der an­de­ren Seite zei­gen uns Pferde, drau­ßen auf der Koppel, wie eine ge­sun­de Selbstfürsorge aus­sieht. Bereits das Zusehen beim Grasen lässt in uns et­was “heil” werden.

Dr. Veronika Klein

Ähnliche Podcast-Episoden
Newsletter abonnieren