Pferde neu denken & gesund bewegen mit Birte Ewaldsen: Ausbilderin für Tensegrales Training
Wir identifizieren uns in der Pferdewelt oft stark über unsere Titel – Tierarzt, Trainer, Therapeut. Aber wer sind wir, wenn wir all diese Expertise beiseitelegen? Diese philosophische Frage ist der perfekte Einstieg in ein Thema, das alte Denkmuster aufbricht und uns dazu zwingt, genauer hinzusehen. Zusammen mit Birte Ewaldsen, Pferde-Osteopathin und Ausbilderin für Tensegrales Training, tauchen wir tief in eine Welt ein, die weit über traditionelle Trainingsmethoden hinausgeht. Wir hinterfragen starre Dogmen, analysieren Bewegungsabläufe kritisch und stellen uns der kontroversen Frage, wie wir mit Pferden umgehen, die nicht ganz taktrein sind.
Mehr als nur ein Beruf: Die Persönlichkeit hinter der Expertise
Was macht einen wirklich guten Pferde-Experten aus? Sind es die unzähligen Zertifikate oder die tief verankerte Leidenschaft und Bodenhaftung? Die Antwort liegt oft dazwischen. Ein guter Experte, egal ob KFZ-Mechaniker, Bäcker oder Pferde-Osteopath, zeichnet sich durch Neugier, gute Kommunikation und den Willen aus, die Ursache eines Problems wirklich zu verstehen.

Im Pferdebereich bedeutet das auch, den täglichen Stallalltag zu leben, die Pferde zu beobachten und die Sorgen der Besitzer aus eigener Erfahrung zu kennen. Diese Verbindung zum Pferd als Lebewesen, nicht nur als Patient oder Sportgerät, ist die Basis für eine ganzheitliche und erfolgreiche Arbeit. Ein Pferd bleibt ein Pferd, auch ohne uns Menschen. Aber wer sind wir ohne die Pferde? Diese Frage sollte uns daran erinnern, dass unser Beruf nur ein Teil unserer Identität ist und die Persönlichkeit dahinter den wahren Unterschied macht.
Alte Dogmen vs. moderne Physiologie: Ein kritischer Blick auf die Pferdewelt
Ein erstaunlicher Unterschied zwischen der Human- und der Pferdemedizin ist die Hartnäckigkeit, mit der im Reitsport an alten Dogmen festgehalten wird. Während in der Humanphysiotherapie längst klar ist, dass Heilung in Funktion stattfindet, herrscht im Pferdestall oft noch das Prinzip der strikten Boxenruhe nach einem Sehnenschaden.
Die 25-Jahres-Lücke: Wusstest du, dass es im Schnitt 25 Jahre dauert, bis eine neue wissenschaftliche Erkenntnis aus einem Fachartikel in der breiten Praxis und im Lehrmaterial für Studenten ankommt? In unserer schnelllebigen Zeit ist das eine enorme Verzögerung. Themen wie die Faszienforschung oder die Bestimmung von Mineralstoffen aus dem Vollblut sind in der Humanmedizin etabliert, während sie in der Pferdewelt erst langsam ankommen.
Diese Lücke zeigt sich auch im Training. Trainingsphysiologische Grundlagen wie das Prinzip der Superkompensation werden oft erst in den höchsten Trainerlehrgängen gelehrt, anstatt sie von Anfang an als Basiswissen zu vermitteln. Das Wissen muss so aufbereitet werden, dass es für jeden Reiter verständlich und im Alltag anwendbar ist, damit ein echtes Interesse für die physiologischen Bedürfnisse des Pferdes entsteht.

Teste kostenlos dein Fachwissen.
Quiz mit Pferdefachtierärztin Dr. Veronika Klein
Teste kostenlos dein Fachwissen.
Quiz mit Pferdefachtierärztin
Dr. Veronika Klein
Der Seiltänzergang: Wenn unphysiologische Bewegung zur Norm wird
Ein perfektes Beispiel für die Diskrepanz zwischen traditioneller Bewertung und physiologischer Realität ist das Bild eines Pferdes im starken Schritt auf dem Turnier. Ein Pferd zeigt viel Übertritt, läuft im Takt, erhält dafür eine gute Note wie eine 7,0 – doch bei genauerem Hinsehen läuft es auf einer Linie, fast wie ein Seiltänzer.
Was ist ein Seiltänzergang? Beim Seiltänzergang setzt das Pferd die Hufe fast voreinander auf einer Linie, anstatt dass die Gliedmaßen gerade nach vorne schwingen. Oft überkreuzen die Vorderbeine sogar leicht.
Die physiologische Ursache: Dieses Bewegungsmuster ist oft ein Zeichen dafür, dass der Rumpf des Pferdes nicht korrekt getragen wird. Der vordere Serratusmuskel, einer der wichtigsten Rumpfträger, kann seine Arbeit nicht richtig machen. Um dies zu kompensieren, spannt das Pferd die Brustmuskulatur übermäßig an. Diese zieht die Vorderbeine nach innen und erzeugt so den Seiltänzergang. Das Pferd bewegt sich zudem vermehrt aus dem Ellbogen statt aus der Schulter, was die wichtige Stoßdämpferfunktion des Vorderbeins beeinträchtigt.
Obwohl das Pferd (noch) nicht lahm ist und im Takt läuft, ist dieses Bewegungsmuster unphysiologisch und führt langfristig zu Verschleiß. Hier müssen wir lernen, ungesunde Körperhaltungen zu erkennen, bevor ein manifester Schaden entsteht. Es geht nicht darum, den Turniersport zu verurteilen, sondern darum, eine gemeinsame, auf Anatomie und Physiologie basierende Sprache zwischen Reitern, Trainern und Richtern zu entwickeln.
Ein schmaler Grat: Darf man taktunreine oder lahme Pferde arbeiten?
Dies ist eine der heikelsten Fragen in der Pferdewelt. Wann ist eine Asymmetrie nur ein Trainingsproblem und wann ist es eine schmerzbedingte Lahmheit, die tierärztlich abgeklärt werden muss? Die Antwort ist komplex und erfordert ein hohes Maß an Expertise, Erfahrung und vor allem Egofreiheit.
Das Problem der Ferndiagnose: Die Aussage “Der Tierarzt hat nichts gefunden” kann alles bedeuten – von einer kurzen Trab-Analyse bis hin zu einer umfassenden Diagnostik mit Szintigraphie und MRT. Ohne eine genaue Abklärung ist es riskant, ein taktunreines Pferd weiter zu trainieren. Eine oberflächliche Behandlung von Kompensationsmustern, z. B. am Rücken, kann das eigentliche Problem im Bein verschleiern und wertvolle Zeit kosten, was im schlimmsten Fall zu irreparablen Schäden führt.
Der Ansatz über Wiederbefundszeichen: Eine professionelle Herangehensweise ist die Arbeit mit klaren Wiederbefundszeichen. Man definiert ein konkretes, beobachtbares Problem (z.B. “das Pferd stolpert 10-mal auf 5 Runden”). Dann wird durch gezielte Arbeit vom Boden oder aus dem Sattel, mit dem Ziel dieses Zeichen positiv zu verändern. Verbessert sich der Zustand – das Pferd stolpert nicht mehr –, war der Ansatz zielführend. Bleibt das Problem bestehen oder verschlechtert sich, muss die Arbeit sofort gestoppt und eine weitere tierärztliche Abklärung veranlasst werden.
Diese Art der Arbeit gehört ausschließlich in erfahrene Fachhände und ist nichts, was Besitzer ohne Anleitung übernehmen sollten. Insbesondere bei der Vermittlung von Inhalten online, sollte eine klare Grenze gezogen werden und Training ausschließlich in lahmfreien Gangarten erfolgen.
Die Rolle des Reiters: Mut zur Hässlichkeit und die Macht des Egos
Ein zentraler Aspekt des Tensegralen Trainings ist, dem Pferd Bewegungserfahrungen zu ermöglichen – auch solche, die “falsch” oder “hässlich” aussehen.
Dieser Ansatz erfordert vom Reiter, gegen tief verankerte Reflexe zu arbeiten und das eigene Ego zurückzustellen. Es kann sich anfangs völlig falsch anfühlen und von außen unschön (Kopf nicht in der Anlehnung) aussehen. Doch genau in diesem Unbehagen liegt die größte Chance für Entwicklung. Das Pferd lernt durch eigene Erfahrung, seine Mitte zu finden und sich selbst zu tragen – ähnlich wie ein Kind, das Laufen lernt, ohne in ein Korsett geschnürt zu werden.
Am Ende dieses Weges steht oft eine viel ehrlichere, schönere und gesündere Bewegung, die aus dem Pferd selbst kommt und nicht durch die Hilfen des Reiters gehalten wird.
Hör rein in die komplette Folge
Bist du neugierig geworden und möchtest tiefer in die Welt der Pferdegesundheit und des pferdegerechten Trainings eintauchen? Im Podcast-Interview mit Birte Ewaldsen gibt es noch viel mehr spannende Einblicke. Hör dir die komplette Folge an, um alle Details zu erfahren!
Wenn du selbst die Verantwortung für die Gesundheit deines Pferdes übernehmen und lernen möchtest, Zusammenhänge wie diese zu verstehen, dann schau in der Kernkompetenz-Pferd Welt vorbei. Dort findest du fundiertes Wissen, praktische Anleitungen und eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Alle Informationen zu unseren Kursen und Programmen findest du auf www.kernkompetenz-pferd.de.

Du weißt einfach nicht, wie du Fortbildungen zur Pferdegesundheit neben Beruf, Familie und Pferdeversorgung unterbringen sollst?
Zudem belasten dich unerwartete Tierarztkosten und andere finanzielle Verpflichtungen und große Kurse ab 400€ und Ausbildungen von 1.000€ und mehr sind daher für dich nicht machbar?
Daher denkst du oft “Ich hätte sehr gerne teilgenommen.”, “Derzeit passt es leider nicht — ich hoffe ich kann beim nächsten Mal dabei sein.” und hast ein schlechtes Gewissen, Frust oder Traurigkeit machen sich breit.
In deinem Stall fehlt dir aber der fachliche Austausch und bei Einführung von neuen Dingen wirst du schief angeschaut, die Augen werden gedreht und lächelnd mit dem Kopf geschüttelt.
Diese Situation wurde mir jahrelang berichtet und immer wieder hatte ich schlaflose Nächte, wie wir das alles unter einen Hut bekommen können.
Pferdefortbildung für mehr Gesundheit:
- Einfach in den Alltag integriert,
- In ganz kleinen Häppchen & sofort zum Umsetzen,
- Mit dem Austausch in einer Stallgemeinschaft, die du dir immer gewünscht hast,
- Erschwinglich und ohne die monatlichen Fixkosten zu sprengen
Tensegrales Training ist ein ganzheitlicher Ansatz, der auf dem Tensegrity-Modell (Spannung und Zusammenhalt) des Körpers basiert. Es fokussiert sich darauf, dem Pferd durch gezielte Übungen zu helfen, seinen Körper in ein physiologisches Gleichgewicht zu bringen und eine gesunde, selbstgetragene Haltung zu entwickeln, anstatt Bewegungsmuster von außen zu korrigieren.
Einen Seiltänzergang erkennst du daran, dass dein Pferd seine Hufe im Schritt oder Trab nicht auf zwei parallelen Linien, sondern auf einer einzigen Linie fast voreinander setzt. Dies deutet oft auf eine Kompensation aufgrund fehlender Rumpfstabilität hin.
Einen Seiltänzergang erkennst du daran, dass dein Pferd seine Hufe im Schritt oder Trab nicht auf zwei parallelen Linien, sondern auf einer einzigen Linie fast voreinander setzt. Dies deutet oft auf eine Kompensation aufgrund fehlender Rumpfstabilität hin.
Die Verzögerung von bis zu 25 Jahren liegt an langen Wegen von der wissenschaftlichen Publikation über die Integration in Lehrmaterialien bis hin zur Anwendung in der täglichen Praxis. Feste Traditionen und Dogmen im Reitsport können die Akzeptanz neuer Erkenntnisse zusätzlich verlangsamen.
“Mut zur Hässlichkeit” bedeutet, dem Pferd zu erlauben, auch unperfekte oder unausbalancierte Bewegungen auszuführen, ohne sofort korrigierend einzugreifen. Ziel ist es, dass das Pferd aus dieser Bewegungserfahrung selbst lernt und eine stabilere, gesündere Lösung findet, anstatt in eine von außen vorgegebene Form gezwungen zu werden.